Die Notdurft in der Rechtssprechung oder: Brett vor’m Kopf tut weh

Ob der Aufenthalt in einer betrieblichen Toilettenanlage zu deren bestimmungsgemäßer Benutzung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, hatte das Landessozialgericht Bayern zu entscheiden.

Der angehenden Beiköchin Helga K. widerfuhr ein nicht alltäglicher Unfall auf der Toilette eines Berufsbildungszentrums. Eine Kollegin stieß schwungvoll die unverschlossene Kabinentür auf, die der jungen Frau mit voller Wucht gegen den Kopf prallte. Wegen der dabei erlittenen Verletzungen beantragte die Auszubildende Entschädigung bei der Berufsgenossenschaft, die jedoch ihre Eintrittspflicht ablehnte, weil das Ereignis kein Arbeitsunfall sei. Helga K. nahm sich einen Anwalt und zog vor Gericht.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes liegt ein Arbeitsunfall dann vor, wenn er sich infolge der versicherten Tätigkeit ereignet hat, § 8 des siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII). Die Verrichtung der Notdurft ist zweifellos keine betriebliche Tätigkeit, daher besteht bei diesem Vorgang kein Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, stellten die Richter des Landessozialgerichts Bayern zunächst fest. Mit Klärung dieser grundsätzlichen Frage war die rechtliche Problematik des Falles allerdings lange nicht gelöst.

Versichert ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch der Weg vom Arbeitsplatz zur Toilette und zurück (BSG 2 RU 190/ 72; 2 RU 47/79). Nach Ansicht ihres Anwalts war Helga K. noch auf dem Weg zur Toilette, als ihr die Kabinentür vor den Kopf gestoßen wurde. Sie hatte nämlich den „privaten Raum“ zur Verrichtung der Notdurft noch nicht erreicht, weil sie erst dabei gewesen war, die Tür zu verriegeln. Umgekehrt befindet sich ja auch bereits auf dem Rückweg, wer die Kabinentür entriegelt, um zum Arbeitsplatz zurückzukehren.

Die bayerischen Richter vermochten dieser Argumentation nicht zu folgen. Ob die Tür verriegelt war oder nicht, ist für die Abgrenzung zwischen betrieblichem und privatem Bereich ohne Bedeutung. Wer die Toilettenanlage betreten hat, hat den Weg dorthin beendet; wer die Außentür in umgekehrter Richtung durchschreitet, hat den Rückweg begonnen. Der unversicherte Bereich umfasst nach natürlicher Betrachtungsweise nicht nur das Verrichten der Notdurft selbst, sondern auch den Aufenthalt in der Toilettenanlage, heißt es in der Begründung des klageabweisenden Urteils.

(LSG Bayern Az.: L 3 U 323/01)

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