Ein Handwerksberuf, dessen Ausübung es erfordert, daß
man häufig und viel pinkelt? Ja, tatsächlich, das ist kein
Scherz. Es mag vielleicht manchem Leser hier wie ein
Traumjob vorkommen …
… nur leider gibt es den Beruf in dieser Form heutzutage
nicht mehr. Aber früher ist die Tätigkeit des Färbers
wirklich recht feucht-fröhlich gewesen, insbesondere
wenn blaugefärbt werden mußte.
Die Blaufärberei erforderte schönes, warmes Wetter über
einen längeren Zeitraum. An Gerätschaften war nur ein
Bottich nötig, der in der Sonne stehen mußte. Die
Waidblätter wurden mit Flüssigkeit bedeckt. Die benötigte
Flüssigkeit war menschlicher Urin, chemisch einzigartig.
In der Sonne begann die Urin-Waid-Brühe zu gären,
dabei entstand Alkohol, er löste den Farbstoff Indigo aus
den Waidblättern. Der genaue chemische Ablauf war
den Färbern damals nicht bekannt, aber sie wußten, daß
die Gärung verstärkt wurde und man mehr Farbstoff
gewinnen konnte, wenn man Alkohol dazugab.
Allerdings wurde der Alkohol nicht direkt in die Brühe
gekippt, dazu war er zu schade; das hätte die
Waidfarbe verteuert. Er wurde über den Umweg
Mensch zugeführt.
Aber auch dann waren die Stoffe noch nicht blau — sie
hatten nur die unappetitliche Farbe der Brühe im Bottich.
Die blaue Farbe entstand erst, nachdem die Stoffe im
Sonnenlicht getrocknet waren. Die Färber hatten nichts
weiter zu tun, als morgens und abends die Brühe
vorsichtig umzurühren, den von der Sonne verdunsteten
Urin aufzufüllen — und vor allem weiterhin für den
Alkoholzusatz zu sorgen, denn je besser die Gärung,
desto ergiebiger der Farbstoff, und desto intensiver das
Blau.
Abgesehen vom Gestank — Blaufärben war eine nicht
unangenehme Tätigkeit.
Die Färber arbeiteten im Freien, bei schönem Wetter, und
es gab reichlich zu trinken. Immer wenn die
Färbergesellen am Montag betrunken in der Sonne lagen,
um auf das Ergebnis zu warten, wußte ein jeder, daß blau
gefärbt wurde, die Färber waren »blau« und machten
»blau«. Nicht gelb! Auch der Begriff des »blauen Montags« könnte
hier seinen Ursprung gefunden haben.
Markus T., Quelle: Tageszeitung, Internet
Ich habe diese Geschichte als Bub von einem Gerber und Färber erzählt bekommen. Ich musste regelmässig für meinen Vater,der Sattler war, dort Häute bringen und holen.